Brief
für Steuerpflichtige im Privatbereich des Monats Dezember 2009
1.
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Rückwirkende
Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen aus Grundstücken
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2.
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Treuepflicht eines
nachschussunwilligen Gesellschafters
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3.
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Zugesagte
Stiftungsleistungen keine Schenkungsversprechen
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4.
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Kirchensteuer auf
Veräußerungsgewinne unbillig?
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5.
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Ermäßigter
Steuersatz auch bei Abfindungen in 2 Raten möglich
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6.
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Überlange
sozialgerichtl. Verfahren: Verstoß gegen Rechtsschutz
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7.
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Progressionsvorbehalt
beim Elterngeld
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8.
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Zahlungen an
Vorstandsmitglieder von gemeinnützigen Vereinen
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9.
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Kein gewerblicher
Grundstückshandel aufgrund eigener Einschätzung
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10.
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Gesetz zur
Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
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11.
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Fristlose Kündigung
bei Missbrauch von Zugriffsrechten
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12.
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Sperrzeit beim ALG
durch Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit
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13.
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Festsetzung
ausländischer Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis
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14.
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Erstattung von
Sonderausgaben: Verrechnung nur bei Gleichartigkeit
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15.
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Verkauf und
Wieder-Ankauf von Aktien kein Gestaltungsmissbrauch
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16.
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Unwahre,
ehrverletzende Kündigungsgründe: Auflösung und Abfindung
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1. Rückwirkende
Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen aus Grundstücken
Einleitung Gemäß
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i. d. F. d. StBereinG 1999 v.
22.12.1999 ist der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks
steuerpflichtig, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und
Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt. In die Ermittlung des
Gewinns ist ein auf dem unbebaut erworbenen Grundstück errichtetes
Gebäude einzubeziehen, auch wenn es im Zeitpunkt der Veräußerung
noch nicht fertiggestellt ist. Dieser Fassung des § 23 Abs. 1 Nr. 1
EStG entspricht die Gesetzesfassung durch das StEntlG 1999/2000/2002
vom 24.3.1999 mit der Ausnahme, dass in den Gewinn aus der
Veräußerung des Grundstücks die Wertschöpfung aus einem in der
Spekulationsfrist errichteten Gebäude einzubeziehen war, wenn das
Gebäude im Zeitpunkt der Veräußerung fertiggestellt wurde. Diese
Gesetzesänderungen sind auf alle Veräußerungsgeschäfte
anzuwenden, bei denen u. a. die Veräußerung auf einem nach dem
31.12.1998 abgeschlossenen Vertrag beruhte. In der dem StEntlG und
dem StBereinG vorhergehenden Fassung des § 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
EStG betrug der Zeitraum 2 Jahre und war ein in der Spekulationsfrist
errichtetes Gebäude nicht bei der Überschussermittlung
einzubeziehen.
Sachverhalt Der
Kläger hatte im März 1998 ein unbebautes Grundstück gekauft und
mit der Errichtung eines Hauses begonnen. Er verkaufte beides mit
Vertrag vom 1.2.1999. Das Haus wurde allerdings erst im Mai 1999
fertiggestellt. Aufgrund zusätzlicher Umstände des Klägers vertrat
das Finanzamt die Auffassung, der Kläger habe durch den An- und
Verkauf des Grundstücks einen gewerblichen Grundstückshandel
begründet. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Entscheidung Das
FG vertrat die Auffassung, dass ein gewerblicher Grundstückshandel
nicht vorliegt, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht
erfüllt wurden. Mit dem Grundstücksverkauf hat der Kläger jedoch
den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. d. F. d. StBereinG
erfüllt. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass die
Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 39 EStG verfassungswidrig ist,
als danach Gewinne aus der Gebäudeveräußerung innerhalb der
Spekulationsfrist erfasst werden, zu denen der Verkaufsvertrag vor
der Verkündung des StBereinG abgeschlossen worden ist. Aus diesem
Grund wurde das Verfahren ausgesetzt und die Frage der
Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkungsregelung dem
Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
2. Treuepflicht eines
nachschussunwilligen Gesellschafters
Kernaussage Grundsätzlich
kann kein Gesellschafter, der seinen nach dem Gesellschaftsvertrag
geschuldeten Beitrag geleistet hat, gegen seinen Willen zu weiteren
finanziellen Leistungen zum Erreichen des Gesellschaftszwecks
gezwungen werden. Die Treuepflicht kann es einem zahlungsunwilligen
Gesellschafter aber gebieten, in diesem Fall aus der Gesellschaft
auszuscheiden.
Sachverhalt Die
Klägerin, eine GmbH & Co. KG, war in finanzielle Schwierigkeiten
geraten, aber laut einem Gutachten dennoch sanierungsfähig. Für die
mit den Gläubigerbanken zu schließende Sanierungsvereinbarung
mussten die Gesellschafter der Klägerin neues Kapital aufbringen.
Die Gesellschafterversammlung beschloss dazu mit der gemäß der
Satzung erforderlichen 3/4-Mehrheit eine Kapitalherabsetzung um 99,9
% und gleichzeitig eine Eigenkapitalerhöhung um 4,6 Mio. EUR. Eine
ebenfalls beschlossene Änderung der Satzung hatte zur Folge, dass
diejenigen Gesellschafter, die sich nicht bis zum 31.12. des
betreffenden Jahres verbindlich an der Kapitalerhöhung beteiligten,
zu diesem Stichtag aus der Gesellschaft ohne weitere Erklärung
derselben ausschieden. Keiner der 4 Beklagten hatte sich bis zum
Stichtag an der Kapitalerhöhung beteiligt, sie hatten gegen die
Änderung der Satzung gestimmt. Die Klägerin meint, sie seien als
Gesellschafter ausgeschieden und verlangt Zahlung des auf den
Stichtag 31.12. ermittelten negativen Auseinandersetzungsguthabens,
d. h. die Begleichung des auf sie jeweils entfallenden
Verlustanteils. Die Klage war in beiden Instanzen erfolglos.
Entscheidung Der
BGH hob die Entscheidung des KG auf und verwies die Sache dorthin
zurück. Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung entfalteten
Wirkung mit der Folge des Ausscheidens der Beklagten aus der
klagenden GmbH & Co. KG. Sie waren in der vorliegenden
Sanierungssituation aus gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht zur
Zustimmung zu der Regelung über das Ausscheiden als Gesellschafter
im Falle der Nichtteilnahme an der Kapitalerhöhung verpflichtet. Es
ist den übrigen Gesellschaftern, die die Chance einer Sanierung
ergreifen wollen und deshalb bereit sind, der Gesellschaft
finanzielle Mittel zuzuführen, nicht zuzumuten, den künftigen
Sanierungserfolg mit den Gesellschaftern teilen zu müssen, die dazu
nicht einmal in Gestalt des sofort zu leistenden Verlustanteils
beitragen wollen. Ebenso wenig können die Gesellschafter, die nichts
mehr investieren wollen, die sanierungsbereiten Mitgesellschafter auf
den Weg der Liquidation mit den damit verbundenen
Zerschlagungsverlusten verweisen.
3. Zugesagte
Stiftungsleistungen keine Schenkungsversprechen
Kernfrage Bedarf
das vertragliche Versprechen einer Zuwendung durch eine Stiftung der
notariellen Beurkundung?
Sachverhalt Seit
1991 führten die klagende Stadt und der spätere Stifter der
beklagten Kunststiftung Verhandlungen über die Errichtung und den
Betrieb eines Kunstmuseums sowie über dessen Mitfinanzierung durch
eine noch zu errichtende Stiftung. Die Klägerin gründete eine
Betriebsgesellschaft und erwarb ein ehemaliges Rathaus. Die Beklagte
wurde mit dem Zweck errichtet, die bildende Kunst durch Unterhaltung
von Museen zu fördern. Die Betriebsgesellschaft der Klägerin und
die Beklagte schlossen dazu einen nicht notariell beurkundeten
Finanzierungsvertrag, in dem sich die Beklagte verpflichtete, der
Betriebsgesellschaft die jährlichen Erträge aus ihrem
festverzinslich angelegten Vermögen zur Verfügung zu stellen. Die
Gesellschaft wiederum verpflichtete sich, die Beträge zur
Finanzierung der Unterhalts- und Betriebskosten des Museums zu
verwenden. Die Beklagte kehrte die Beträge zunächst aus, stellte
aber schließlich die Zahlungen ein. Die Klägerin begehrte
Rechnungslegung und Zahlung der mit dem Finanzierungsvertrag
versprochenen Zuwendungen. Die Klage blieb vor dem LG und dem OLG
erfolglos. Der BGH hob das Berufungsurteil auf, verurteilte die
Beklagte zur Auskunftserteilung und verwies die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Entscheidung Werden
Destinatären Stiftungsleistungen zugewendet, dient dies der
Erfüllung des Stiftungszwecks. Dabei macht es keinen Unterschied, ob
ein Anspruch auf die Stiftungsleistung bereits durch die
Stiftungssatzung oder erst durch den Abschluss eines Vertrages
begründet wird. Wird durch eine vertragliche Zuwendung von
Stiftungsleistungen allein der Stiftungszweck erfüllt, ist dieser
ihr Rechtsgrund. Daher handelt es sich bei der vertraglichen
Zuwendung von Stiftungsleistungen zur Verwirklichung des
Stiftungszwecks auch dann nicht um ein Schenkungsversprechen, wenn
diese Leistungen unentgeltlich versprochen werden.
Konsequenz Ein
Vertrag über die Zuwendung von Stiftungsgeldern bedarf nicht der
notariellen Form.
4. Kirchensteuer auf
Veräußerungsgewinne unbillig?
Kernproblem Bei
der Bemessung von Kirchensteuern finden die Vorschriften für die
Einkommensteuer entsprechende Anwendung. So beträgt die
Kirchensteuer, von Ausnahmen abgesehen, je nach Bundesland 8 % oder 9
% der Einkommensteuer. Eine Ausnahme besteht u. a. darin, dass die
bei Bemessung der Einkommensteuer im Halb- oder
Teileinkünfteverfahren steuerfrei gebliebenen Einkünfte für die
Kirchensteuerermittlung wieder hinzugerechnet werden, was sich
nachteilig auswirkt. Darüber hinaus haben Gesetzgeber und Kirchen
darauf verzichtet, für den Bereich der Kirchensteuer zusätzliche
Bestimmungen zu schaffen, nach denen einzelne Vorgänge sich in
systematischer Hinsicht auf die Kirchensteuer anders als auf die
Einkommensteuer auswirken. Das gilt auch im Hinblick auf
Veräußerungsgewinne und auf Gewinne, die durch einen Wechsel der
Gewinnermittlungsart entstehen. Auf der anderen Seite haben die
Kirchenleitungen ihren Gemeinden jedoch in Sonderfällen den
anteiligen Erlass der Kirchensteuer empfohlen - was jedoch nicht
einheitlich umgesetzt wird, wie folgender Streitfall beim BFH zeigt.
Sachverhalt Eheleute
gehörten glaubensverschiedenen Kirchen an und erzielten im
Streitjahr einen Übergangs- sowie Veräußerungsgewinn aus
Gewinneinkünften. Während die katholische Kirche die hierauf
entfallende Kirchensteuer antragsgemäß um 50 % reduzierte,
verwehrte dies die evangelische Gemeinde. Und das, obwohl eine
Empfehlung der Kirchenleitung vorlag, "in allen Fällen der
Tarifvergünstigungen nach § 34 EStG die Kirchensteuer auf Antrag um
die Hälfte zu reduzieren". Nach den Feststellungen des FG waren
im Streitjahr die meisten evangelischen Gemeinden im hiervon
betroffenen Nordrhein-Westfalen und insbesondere alle benachbarten
der beklagten Gemeinde dieser Empfehlung gefolgt.
Entscheidung des
BFH Der BFH kommt zu dem Urteil, dass es nicht sachlich
unbillig sei, wenn eine Kirchensteuer auch insoweit erhoben werde,
als sie auf der Berücksichtigung von Veräußerungs- und
Übergangsgewinnen beruhe. Mit der Übertragung der Bestimmung der
Besteuerungsgrundlagen für die Kirchensteuer auf die
Kirchengemeinden sei die einzelne Gemeinde insoweit auch nicht an die
von anderen Kirchengemeinden getroffenen Regelungen gebunden. Bei der
Empfehlung der Kirchenleitung handele es sich vielmehr um eine
kirchenpolitische Äußerung ohne bindenden Charakter. Dasselbe gelte
im Hinblick auf die Erlasspraxis der katholischen Kirche. Hieraus
lasse sich auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
herleiten.
5. Ermäßigter
Steuersatz auch bei Abfindungen in 2 Raten möglich
Kernproblem Sind
in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte
enthalten, so ist die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem
ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Als außerordentliche Einkünfte
kommen u. a. Entschädigungen in Betracht, die als Ersatz für
entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH ist es erforderlich, dass die zu
begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen
sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte
steuerliche Belastungen entstehen. Daran fehlt es, wenn eine
Entschädigung in 2 oder mehreren verschiedenen
Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils
mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein
Progressionsnachteil ergibt.
Sachverhalt Im
Streitfall hatte ein Arbeitnehmer im September 2006 mit seinem
bisherigen Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung seines
Arbeitsverhältnisses zum 30.9.2006 geschlossen. Es wurde eine
einmalige Abfindungszahlung von 77.257 EUR vereinbart, die aber
abredewidrig vom Arbeitgeber in 2 Teilbeträgen ausgezahlt wurde,
nämlich im September 2006 in Höhe von 1.000 EUR und im Januar 2007
in Höhe von 76.257 EUR. Das Finanzamt verweigerte im Jahr 2007 den
ermäßigten Steuersatz mangels Zusammenballung der gezahlten
Abfindung.
Entscheidung des
BFH Der BFH gewährte den ermäßigten Steuersatz. So sei der
Zufluss in einem Veranlagungszeitraum kein gesetzliches
Tatbestandsmerkmal. Der Zweck der Vorschrift würde trotz Zuflusses
in 2 Veranlagungszeiträumen nicht verfehlt, wenn der
Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und
die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag
ausgezahlt wird.
Konsequenz Die
erforderliche Zusammenballung der Entschädigungszahlung liegt in
Gestalt der im Streitjahr bezogenen Hauptentschädigungsleistung in
Höhe von 76.257 EUR vor.
6. Überlange
sozialgerichtl. Verfahren: Verstoß gegen Rechtsschutz
Kernaussage Eine
Verfassungsbeschwerde wegen überlanger Verfahrensdauer einer
sozialgerichtlichen Klage hatte Erfolg. Überlange andauernde
Verfahren ohne besondere rechtliche Schwierigkeiten verstoßen gegen
das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Artikel 19 GG).
Sachverhalt Die
beschwerdeführende Vertragsärztin hatte beim Sozialgericht (SG)
Klage wegen mehrerer Honorarbescheide erhoben, die sie im April 2000
um 2 weitere Bescheide erweiterte. Das klageabweisende Urteil des SG
bezog sich nicht auf diese Bescheide, obwohl die Klagen im Januar
2004 verbunden worden waren. Das Berufungsgericht wies im Februar
2006 darauf hin, dass die Berufung wegen der fehlenden
erstinstanzlichen Entscheidung über die beiden Bescheide unzulässig
sei und verwarf diese nach Verfahrenstrennung im Dezember 2007. Das
Urteil wurde im April 2008 zugestellt. Die Beschwerdeführerin erhob
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, die das
Bundessozialgericht im März 2009 verwarf. Die Beschwerdeführerin
erinnerte das SG seit Februar 2006 mehrfach an die noch ausstehende
Entscheidung über die beiden Honorarbescheide; bis heute erging eine
solche nicht.
Entscheidung Die
Untätigkeit des SG verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Es ist verfassungsrechtlich
nicht hinnehmbar, dass über den Abschluss eines im April 2000
eingeleiteten Verfahrens, dessen Sachmaterie keine besonderen
Schwierigkeiten aufweist, nach 9 Jahren noch keine Klarheit besteht.
Das SG hatte das Verfahren seit 2004 nicht mehr gefördert. Obwohl
die Beschwerdeführerin den Verfahrensfortgang anfangs erheblich
behinderte, ist dadurch eine derartige Verzögerung nicht zu
rechtfertigen. Ausschlaggebend für die verfassungsrechtliche
Bewertung war, dass das Verfahren von der Berufungseinlegung im
Oktober 2004 bis zur Urteilszustellung im April 2008 über 3 Jahre
gedauert hatte, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestand. Ferner
entsprach es hinsichtlich der beiden "schwebenden Bescheide"
in Anbetracht der unklaren Prozesslage nicht dem Gebot des effektiven
Rechtsschutzes, dass ein Beteiligter trotz mehrfacher Erinnerungen
von Seiten des Gericht darüber im Unklaren gelassen wurde, dass
dieses das Verfahren für abgeschlossen hielt.
Konsequenz Deutsche
Gerichte müssen mit zunehmender Dauer der Verfahren sämtliche ihnen
zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Verfahrensbeschleunigung
nutzen.
7. Progressionsvorbehalt
beim Elterngeld
Kernproblem Das
Gesetz zum Elterngeld sieht ein bis zu 12 Monate (plus 2
Partnermonate) währendes monatliches Elterngeld von 300 EUR vor, das
einkommensunabhängig von dem vor der Elternzeit erzielten Einkommen
gezahlt wird. Darüber hinaus ist eine am vorausgegangenen
Nettoeinkommen orientierte Erhöhung auf bis zu 1800 EUR möglich.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des EStG unterliegt das gesamte
Elterngeld dem steuerlichen Progressionsvorbehalt. In der Zahlung des
Sockelbetrages von 300 EUR könnte jedoch auch eine reine
Sozialleistung gesehen werden, deren Einbezug in den
Progressionsvorbehalt nicht gerechtfertigt erscheint. Mit genau
dieser Begründung waren Eltern in ein Finanzgerichtsverfahren
gegangen, in dem sie jedoch unterlagen. Der BFH hatte jetzt im
Verfahren über die Nichtzulassung der Revision zu entscheiden.
Entscheidung des
BFH Nach Auffassung des BFH werfe das EStG nach seinem
eindeutigen Wortlaut, das gezahlte Elterngeld dem
Progressionsvorbehalt zu unterstellen, keine klärungsbedürftigen,
die Revisionszulassung rechtfertigenden Fragen auf. Das Elterngeld
bezwecke, die durch die erforderliche Kinderbetreuung entgangenen
Einkünfte teilweise auszugleichen. Dies gelte auch dann, wenn nur
der Sockelbetrag von 300 EUR geleistet werde. So könne auch
dahinstehen, welche verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grenzen
dafür gelten, reine Sozialleistungen in den Progressionsvorbehalt
einzubeziehen, zumal auch durch sie eine erhöhte finanzielle
Leistungsfähigkeit gegeben sei und eine Steuerbelastung überhaupt
nur dann eintrete, wenn eine solche reine Sozialleistung zu weiteren
einkommensteuerpflichtigen Einkünften hinzutrete.
8. Zahlungen an
Vorstandsmitglieder von gemeinnützigen Vereinen
Einführung Durch
das Gesetz zur weiteren Förderung des bürgerschaftlichen
Engagements ist ab 2007 die Ehrenamtspauschale eingeführt worden.
Danach sind Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit für eine
gemeinnützige Organisation bis zu 500 EUR pro Jahr steuerfrei.
Ausgezahlt werden darf die Ehrenamtspauschale an Vereinsorgane
grundsätzlich nur dann, wenn die Satzung eine entsprechende
Möglichkeit zur Zahlung vorsieht. Nach den Feststellungen der
Finanzverwaltung sind Zahlungen jedoch ohne satzungsmäßiger
Ermächtigung gezahlt worden. Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit
droht.
Übergangsfrist Die
Ehrenamtspauschale ist bereits an Vorstandsmitglieder ausbezahlt
worden, obwohl die Satzung eine ehrenamtliche oder unentgeltliche
Tätigkeit vorsieht. Zur Bezahlung des Vorstands gehören auch
Vergütungen, die - z. B. wegen einer Aufrechnung oder der
Vereinbarung einer Rückspende - nicht durch Barzahlung/Überweisung
tatsächlich ausgezahlt werden. In diesen Fällen zieht die
Finanzverwaltung keine negativen Konsequenzen für die
Gemeinnützigkeit, wenn folgende 2 Voraussetzungen vorliegen: 1. Die
Zahlungen waren nicht unangemessen hoch. 2. Bis zum 31.12.2010 wird
eine Satzungsänderung beschlossen, die Tätigkeitsvergütungen
zulässt. An die Stelle einer Satzungsänderung kann ein Beschluss
des Vorstands treten, künftig auf Tätigkeitsvergütungen zu
verzichten.
Konsequenz Das
BMF verlängert die Frist zur Änderung der Satzung vom 31.3.2009
nunmehr zum 4. Mal auf den 31.12.2010. Anscheinend haben zahlreiche
Vereine die Ehrenamtspauschale bereits genutzt, ohne die formellen
Voraussetzungen geschaffen zu haben. Damit liegt ein Verstoß vor,
welcher grundsätzlich mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit zu
ahnden wäre. Insoweit lässt das BMF noch einmal Gnade vor Recht
ergehen. Betroffene Vereine sollten ihre Satzung bis Ende des
kommenden Jahres ändern. Bei dann noch vorliegenden fehlerhaften
Satzung wird mit einem Wohlwollen des Finanzamtes nicht mehr zu
rechnen sein.
9. Kein gewerblicher
Grundstückshandel aufgrund eigener Einschätzung
Kernfrage Der
Verkauf von Immobilien, die im Rahmen der privaten Vermögensbildung
angeschafft und verwaltet worden sind, löst nach Ablauf der
Spekulationsfrist in der Regel keine Ertragsteuern aus. Innerhalb der
Spekulationsfrist kommt es zur Belastung mit Einkommensteuer.
Veräußert ein Steuerpflichtiger aber innerhalb von 5 Jahren mehr
als 3 Objekte (Grundstück, Eigentumswohnung oder (Groß)Immobilie)
nimmt die Finanzverwaltung einen sogenannten gewerblichen
Grundstückshandel an. Folge ist, dass die Einkünfte insgesamt als
gewerblich qualifiziert und erzielte Gewinne zusätzlich
gewerbesteuerpflichtig werden.
Sachverhalt Ein
Steuerpflichtiger hat 2 vermietete Eigentumswohnungen erworben. Kurz
nach dem Erwerb teilte er dem Finanzamt mit, dass er einen
gewerblichen Grundstückshandel gegründet habe. Nach der damaligen
Rechtslage konnte er die Anschaffungskosten der Eigentumswohnungen
sofort als Betriebsausgabe steuermindernd geltend machen. Der
gewerbliche Grundstückshandel wäre insoweit zunächst steuerlich
vorteilhaft gewesen. 1,5 Jahre nach der Anschaffung erteilte er einen
Verkaufsauftrag und veräußerte die Wohnungen.
Entscheidung Nach
Ansicht des BFH liegt kein gewerblicher Grundstückshandel vor. Zum
einen sind nicht innerhalb von 5 Jahren mehr als 3 Objekte veräußert
worden. Zum anderen fehlt eine von vornherein unbedingte
Veräußerungsabsicht, da der Verkaufsauftrag erst 1,5 Jahre nach
Erwerb erteilt worden ist. Maßgebend für die steuerrechtliche
Qualifizierung ist nicht die subjektive Beurteilung, sondern
objektive Kriterien.
Konsequenz Vorliegendes
Urteil betrifft einen der wenigen Fälle, in denen ein
Steuerpflichtiger vom Vorliegen eines gewerblichen Grundstückshandels
steuerlich zunächst profitiert. Aufgrund der zwischenzeitlich
eingetretenen Gesetzesänderung wird es diese Fälle künftig nicht
mehr geben.
10. Gesetz zur
Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
Die neue Bundesregierung
hatte bereits im Koalitionsvertrag ihre Absicht bekundet, durch
steuerliche Entlastungen Impulse zu Wirtschaftswachstum und
Beschäftigung zu setzen. Am 9.11.2009 hat sie das "Gesetz zur
Beschleunigung des Wirtschaftswachstums
(Wachstumsbeschleunigungsgesetz)" auf den Gesetzgebungsweg
gebracht, um durch zielgerichtete steuerliche Entlastungen einen
stabilen und dynamischen Aufschwung anzuregen. Da diese Maßnahmen
bereits ab dem 1.1.2010 gelten sollen, geben wir Ihnen nachstehend
einen Überblick über die wesentlichen Gesetzesvorschläge. Sie
betreffen die Familienentlastung, die Unternehmensbesteuerung, die
Erbschaftsteuer und die Umsatzsteuer.
Regelungen zur
Familienentlastung und -förderung Familien mit Kindern sollen
steuerlich entlastet und gefördert werden. Dazu wird der
Kinderfreibetrag ebenso wie der Freibetrag für den Betreuungs-,
Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für jedes Kind von insgesamt
6.024 EUR auf 7.008 EUR angehoben. Diese, ab dem Veranlagungszeitraum
2010 geltende Anhebung wird durch eine Erhöhung des Kindergeldes
flankiert, das für jedes steuerlich zu berücksichtigende Kind um 20
EUR erhöht wird. Danach würde das Kindergeld für das 1. und 2.
Kind von 164 EUR auf 184 EUR, für das 3. Kind von 170 EUR auf 190
EUR und für jedes weitere Kind von 195 EUR auf 215 EUR angehoben.
Ein Ehepaar mit einem Kind würde dadurch bei einem zu versteuernden
Einkommen bis 60.000 EUR um rund 200 EUR im Jahr entlastet.
Regelungen zur
Unternehmensbesteuerung Sofortabschreibung geringwertiger
Wirtschaftsgüter
Für geringwertige
Wirtschaftsgüter, die einer eigenen Nutzung fähig sind, wird - wie
bis zur Unternehmensteuerreform 2008 - wieder ein
Abschreibungswahlrecht eingeführt. Wirtschaftsgüter mit
Anschaffungskosten bis 410 EUR netto können wieder sofort
abgeschrieben werden, wobei solche Wirtschaftsgüter, deren
Anschaffungskosten 150 EUR übersteigen, wie vor der
Unternehmensteuerreform 2008, in einem laufend zu führenden
Verzeichnis erfasst werden müssen. Alternativ bleibt es für
Wirtschaftsgüter mit Anschaffungskosten von mehr als 150 EUR, aber
nicht mehr als 1.000 EUR beim Wahlrecht zur Einstellung in einen
Sammelposten (Poolabschreibung). Diese Regelung ist auf alle
Wirtschaftsgüter anwendbar, die nach dem 31.12.2009 angeschafft
werden. Das Wahlrecht kann je Wirtschaftsjahr nur einheitlich
ausgeübt werden.
Entlastungen bei den
Abzugsbeschränkungen für Zinsen
Durch die
Unternehmensteuerreform 2008 wurde der Zinsabzug von Unternehmen
(Betrieben) begrenzt. Diese Regelung der Zinsschranke (§ 4h EStG, §
8a KStG) soll ebenfalls durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
zugunsten eines höheren Zinsabzugs für den Steuerpflichtigen
verbessert werden. Dazu wird die Freigrenze für einen schädlichen
Zinssaldo, die im Zuge des "Bürgerentlastungsgesetzes
Krankenversicherung" von 1,0 Mio. EUR auf 3,0 Mio. EUR für die
Veranlagungszeiträume 2008 und 2009 erhöht wurde, nunmehr dauerhaft
eingeführt. Zudem ist nach gegenwärtiger Rechtslage Zinsaufwand bis
zu 30 % des so genannten steuerlichen EBITDA (im Wesentlichen handelt
es sich dabei um den steuerlichen Gewinn zuzüglich Zinsaufwendungen
und Regelabschreibungen auf Anlage-Wirtschaftsgüter) abziehbar. Die
Entwurfsregelung sieht vor, dass in den Jahren, in denen dieser
Abzugsrahmen von 30 % des EBITDA durch den tatsächlichen Zinsaufwand
nicht ausgeschöpft wurde, gleichwohl aber die Freigrenze
überschritten war, der entsprechende nicht genutzte EBITDA-Anteil in
zukünftige Wirtschaftsjahre vorgetragen wird. Der jeweilige
EBITDA-Vortrag ist auf 5 Jahre begrenzt. Kommt allerdings die
Zinsschranke wegen einer Escape-Klausel (Freigrenze von 3,0 Mio. EUR,
keine Konzernzugehöhrigkeit ohne schädliche
Gesellschafterfremdfinanzierung oder positiver
Eigenkapitalquotenvergleich) nicht zum Tragen, kann aus diesem
Wirtschaftsjahr kein EBITDA-Vortrag hergeleitet werden. Eine
Übergangsregelung sieht vor, dass auf Antrag bereits nicht
berücksichtigte EBITDA-Beträge der Veranlagungszeiträume 2007 und
2008 vorgetragen werden können. Zudem wird der als
Zinsschranken-Escape ausgestaltete Eigenkapitalquotenvergleich
hinsichtlich seiner schädlichen Abweichungsmöglichkeiten von 1
Prozentpunkt auf 2 Prozentpunkte abgeändert.
Lockerung der
Beschränkungen einer Verlustnutzung bei schädlichem
Gesellschafterwechsel
Im Zuge der
Unternehmensteuerreform 2008 wurde insbesondere die Regelung des §
8c KStG eingeführt. Danach wird der Verlustabzug einer Körperschaft
bei einem so genannten schädlichen Anteilserwerb von mehr als 25 %
quotal und von mehr als 50 % vollständig versagt. Insbesondere waren
weder eine Konzern- noch eine Sanierungsklausel vorgesehen. Der
Gesetzentwurf sieht nun eine solche Konzernklausel vor. Aufgrund des
geplanten Satz 5 in § 8c Abs. 1 KStG bleiben Verlustvorträge bei
konzerninternen Beteiligungserwerben erhalten, wenn eine Person zu
100 % unmittelbar oder mittelbar an der übertragenden und
übernehmenden Gesellschaft beteiligt ist. Zudem wird die durch das
"Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung" in § 8c
Abs. 1a KStG eingeführte Sanierungsklausel ohne die im
BürgerentlastungsG enthaltene zeitliche Begrenzung unbefristet
weitergeführt. Auch in den Fällen des Anteilserwerbs außerhalb
eines Konzerns oder einer Sanierung soll § 8c Abs. 1 "entschärft"
werden. Dazu sieht die Neuregelung in den Sätzen 6 und 7 vor, dass
trotz schädlichen Anteilserwerbs Verluste der betreffenden
Kapitalgesellschaft (je nach schädlichem Anteilserwerb quotal oder
vollständig) in Höhe stiller Reserven des inländischen
Betriebsvermögens der Körperschaft erhalten bleiben. Anwendbar
sollen diese "Entschärfungen" auf Anteilsübertragungen
sein, die nach dem 31.12.2009 stattfinden.
Gewerbesteuerliche
Verbesserungen
Die Gewerbesteuer sieht
umfangreiche Hinzurechnungen von Finanzierungsanteilen, auch aus
Miet- und Pachtzinsen für Immobilien vor, die bisher mit 65 %
angenommen und auf 50 % reduziert wurden. Die Änderung ist ab dem
Erhebungszeitraum 2010 anwendbar.
Neueinführung einer
grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel
Umstrukturierungen von
Unternehmen sollen durch eine Konzernklausel erleichtert werden.
Umwandlungsvorgänge i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1-3 UmwG, also
Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung sollen keine
Grunderwerbsteuer auslösen. Diese Grunderwerbsteuerbefreiung ist mit
einer Behaltefrist für das Grundstück gekoppelt, die 5 Jahre nach
dem Umwandlungsvorgang beträgt. Dasselbe gilt für die Anteile an
der Gesellschaft, der das Grundstück gehört. Die Regelungen sind
auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 verwirklicht
werden.
Entlastungen bei der
Erbschaft- und Schenkungsteuer Bei der Erbschaft- und
Schenkungsteuer wird es 2 wesentliche Änderungen geben. Die eine
betrifft die Unternehmensnachfolge, die andere die
erbschaftsteuerlichen Steuersätze. Die Bedingungen für die
Unternehmensnachfolge sollen krisenfester ausgestaltet werden. Dazu
werden die in § 13a ErbStG geregelten Begünstigungen von
Betriebsvermögen verbessert. 85 % eines begünstigten
Betriebsvermögens soll steuerfrei bleiben, wenn das Unternehmen 5
Jahre (statt bisher 7 Jahre) fortgeführt wird und die Lohnsumme am
Ende des gesamten Zeitraums nicht unter 400 % (statt bisher 650 %)
der Ausgangslohnsumme gesunken ist, wobei dies bei Betrieben mit mehr
als 20 (bisher mehr als 10) Mitarbeitern gilt. Auch die auf Antrag
mögliche vollständige Steuerfreiheit wird verbessert. Begünstigtes
Betriebsvermögen bleibt zu 100 % steuerfrei, wenn das Unternehmen 7
Jahre (statt bisher 10 Jahre) fortgeführt wird und die Lohnsumme am
Ende des gesamten Zeitraums nicht unter 700 % (statt bisher 1.000 %)
der Ausgangssumme gesunken ist. Auch hier sind diese Voraussetzungen
nur von Betrieben mit mehr als 20 (statt bisher mehr als 10)
Mitarbeitern zu erfüllen. Die erbschaftsteuerlichen Steuersätze der
Steuerklasse II werden abgesenkt. Die erbschaftsteuerlichen
Änderungen sind auf Erwerbe anwendbar, für die die Steuer nach dem
31.12.2009 entsteht.
Vergünstigungen bei
der Umsatzsteuer Ab dem 1.1.2010 werden
Beherbergungsleistungen im Hotel- und Gastronomiegewerbe zur
kurzfristigen Beherbergung nur noch 7 % Umsatzsteuer auslösen.
Das weitere
Gesetzgebungsverfahren Der vorstehend geschilderte
Gesetzentwurf wurde am 9.11.2009 im Bundeskabinett beschlossen. Die
erste Lesung im Bundestag ist am 12.11.2009, die 2./3. Lesung für
den 4.12.2009 geplant. Stimmt der Bundesrat dem Gesetz am 18.12.2009
zu, werden die geplanten Regelungen am 1.1.2010 in Kraft treten. Über
die endgültige Gesetzesfassung werden wir unverzüglich in "DHPG
aktuell" informieren.
11. Fristlose Kündigung
bei Missbrauch von Zugriffsrechten
Kernfrage/Rechtslage Der
Missbrauch zentraler Vertrauenspositionen in einem Unternehmen kann
je nach Schwere des Verstoßes auch ohne Abmahnung eine fristlose
Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Entscheidend ist,
dass das Vertrauensverhältnis irreparabel zerstört ist. Das
Landesarbeitsgericht München hatte jüngst über die Frage der
Vertrauensposition eines EDV-Administrators zu entscheiden.
Entscheidung Der
Kläger war bei der Beklagten als Systemadministrator beschäftigt.
Anfang August 2007 hatte die Beklagte den Kläger wegen diverser
arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen abgemahnt. Im Zuge der
Diskussion im Vorfeld der Abmahnung hatte der Kläger auf das Firmen-
Laufwerk "p:\Personal" zugegriffen und dort Daten
eingesehen. Während der Urlaubsabwesenheit eines Geschäftsführers
legte der Kläger dem anderen Geschäftsführer eine Reihe von
E-Mails des abwesenden Geschäftsführers, die er zuvor gelesen und
ausgedruckt hatte, mit dem Hinweis vor, dass sich der abwesende
Geschäftsführer offensichtlich vertragswidrig verhalte und dadurch
das Unternehmen, die Beklagte, schädige. Daraufhin wurde das
Arbeitsverhältnis wegen des Zugriffs auf die E-Mails des
Geschäftsführers und die Dateien der Personalstelle fristlos
gekündigt. Der Kläger unterlag auch vor dem Landesarbeitsgericht,
weil er in schwerer Weise die ihm übertragenen Befugnisse und
technischen Möglichkeiten missbraucht habe. Ein EDV-Administrator
habe eine Vertrauensposition inne, deren Kompetenzen auch in
Ausnahmesituationen nicht ausgenutzt werden dürften. Daher sei auch
die fristlose Kündigung ohne Abmahnung gerechtfertigt.
Konsequenz Missbraucht
ein EDV-Administrator die ihm übertragenen Kompetenzen erheblich und
späht er Daten aus, dann ist jedenfalls bei Hinzutreten weiterer
Faktoren in der Regel eine fristlose Kündigung auch ohne Abmahnung
zulässig.
12. Sperrzeit beim ALG
durch Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit
Kernfrage/Rechtslage In
der Regel wird eine Sperrzeit von bis zu 12 Wochen beim Bezug des
Arbeitslosengelds I verhängt, wenn der Arbeitnehmer durch sein
Verhalten mit zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses beigetragen
hat. Dies gilt insbesondere bei fristlosen Kündigungen. Gleichzeitig
kommt es häufig vor, dass fristlose Kündigungen im Rahmen von
Kündigungsschutzprozessen durch einen Vergleich in betriebsbedingte
Kündigungen umgewandelt werden. Das Hessische Landessozialgericht
hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob bei einer solchen
"umgewandelten" fristlosen Kündigung auch eine Sperrzeit
verhängt werden kann.
Entscheidung Der
Kläger war langjährig bei einem Sicherheitsdienst beschäftigt und
durfte nur mit Zustimmung seines Arbeitgebers für ein
Konkurrenzunternehmen tätig werden. Obwohl eine solche Zustimmung
nicht vorlag, wurde er auch für ein Konkurrenzunternehmen tätig.
Als der Arbeitgeber dies erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis
fristlos. In dem sich anschließenden Kündigungsschutzverfahren
einigten sich die Arbeitsvertragsparteien auf eine Beendigung des
Arbeitsverhältnisses aufgrund ordentlicher betriebsbedingter
Kündigung. Nach der Arbeitslosenmeldung des Klägers stellte die
beklagte Bundesagentur den Eintritt einer 12-wöchigen Sperrzeit
fest. Hiergegen klagte der Kläger und unterlag. Mit der
Konkurrenztätigkeit habe der Kläger Anlass zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses gegeben. Sie war auch ursächlich für die
Kündigung. Die Tatsache, dass die Kündigung im Wege eines
arbeitsgerichtlichen Vergleichs in eine betriebsbedingte Kündigung
umgewandelt worden ist, spiele keine Rolle, sondern unterliege der
vollen sozialgerichtlichen Nachprüfung, für die alleine der
Sachverhalt und nicht die Einschätzung der Parteien maßgeblich sei.
Konsequenz Die
Entscheidung wird weitreichende Konsequenzen in
Kündigungsschutzprozessen erlangen. In Fällen fristloser oder
verhaltensbedingter Kündigungen dürfte die Vergleichsquote deutlich
sinken.
13. Festsetzung
ausländischer Schenkungsteuer als rückwirkendes Ereignis
Kernfrage/Rechtslage Änderungen
bestandskräftig gewordener Steuerbescheide, hier ein
Schenkungsteuerbescheid, sind zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,
wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkungen für die
Vergangenheit hat. Im Bereich der Schenkungsteuer galt aufgrund einer
Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf bislang, dass die
Festsetzung einer ausländischen Schenkungsteuer nach Bestandskraft
des deutschen Schenkungsteuerbescheides und Ablauf der
Festsetzungsfrist kein rückwirkendes Ereignis darstellt, so dass
eine Anrechnung der ausländischen Steuer auf die deutsche Steuer
nicht möglich war, selbst wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der
Anrechnung aus dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz vorlagen. Das
Finanzgericht Niedersachsen hat jüngst abweichend entschieden.
Entscheidung Nach
Ablauf der Bestandskraft und nach Ablauf der Festsetzungsfrist des
zunächst ergangenen deutschen Schenkungsteuerbescheides beantragte
der Steuerpflichtige die Anrechnung einer in der Schweiz
festgesetzten Schenkungsteuer, wobei die Voraussetzung der
Anrechnungsnorm des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes vorlagen.
Das zuständige Finanzamt lehnte die Anrechnung ab; das Finanzgericht
Niedersachsen gab dem Kläger Recht. Die Festsetzung der
ausländischen Steuer sei als rückwirkendes Ereignis anzusehen, so
dass die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres, in dem die
ausländische Steuer festgesetzt wurde, beginnt. Aufgrund der deshalb
noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfrist konnte der deutsche
Steuerbescheid noch geändert werden.
Konsequenz Die
Entscheidung hilft nicht nur bei internationalen Schenkungsfällen,
sondern insbesondere auch bei grenzüberschreitenden Erbfällen, in
denen die Erbschaftsteuer in den einzelnen Staaten zu
unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt wird. Kommt es zur
nachträglichen Steuerfestsetzung im Ausland, wird man immer die
Anrechnungsmöglichkeit prüfen müssen. Allerdings ist das Urteil
noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde ausdrücklich
zugelassen.
14. Erstattung von
Sonderausgaben: Verrechnung nur bei Gleichartigkeit
Kernproblem Werden
einkommensteuerlich geförderte Sonderausgaben in einem späteren
Jahr erstattet und übersteigen diese die im Erstattungsjahr
geleisteten Beiträge, stellt sich die Frage der Verrechenbarkeit mit
"gleichartigen" Beträgen. So auch im vor dem BFH
ausgetragenen Streitfall, denn hier hatte der Steuerpflichtige
insgesamt 9 Jahresbeiträge einer Krankentagegeldversicherung
zurückerhalten. Die Beiträge hatten ursprünglich in den
Einkommensteuerveranlagungen Berücksichtigung gefunden, wenn auch
wegen des Höchstbetrags für Vorsorgeaufwendungen ohne steuerliche
Auswirkung. Das war umso ärgerlicher, als das Finanzamt die
Erstattung von ca. 14.000 EUR nicht nur mit gezahlten Beiträgen zur
Krankenversicherung, sondern auch anderen Vorsorgeaufwendungen
(Sozial-, Lebens- und Haftpflichtversicherung) verrechnete. So blieb
im Streitjahr von den gesamten Vorsorgeaufwendungen nur ein Betrag
von ca. 2.000 EUR übrig. Dagegen hielten jedoch Steuerpflichtiger
und Finanzgericht nur eine Verrechnung mit Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen für gerechtfertigt.
Bisherige
Rechtsprechung Für den Fall der Kirchensteuer hat der BFH
bereits entschieden, dass Erstattungsüberhänge im ursprünglichen
Abzugsjahr wegen eines "rückwirkenden Ereignisses"
rückgängig zu machen seien. Das geht insoweit, wie die Veranlagung
noch nicht verjährt ist. Mit dem Ereignis beginnt jedoch der Lauf
einer neuen Festsetzungsfrist, so dass die Änderung in der Regel
durch die Finanzverwaltung umgesetzt werden kann.
Entscheidung des
BFH Nach Auffassung des Senats setze die Verrechnung eine
Gleichartigkeit der Beiträge voraus. Diese richte sich nach deren
Sinn und Zweck sowie deren wirtschaftlichen Bedeutung und
Auswirkungen für den Steuerpflichtigen. Bei Versicherungsbeiträgen
komme es auf die Funktion der Versicherung und das abgesicherte
Risiko an. Wolle man der Auffassung des FA folgen, müssten auch
Kirchensteuern oder Steuerberatungskosten (zumindest solange diese
noch abzugsfähig waren) als gleichartig und folglich als
verrechenbar mit den unterschiedlichsten als Sonderausgaben
abziehbaren Versicherungsbeiträgen angesehen werden. Diese
Konsequenz sei aber bisher nicht gezogen worden. Andernfalls hätte
sich in zahlreichen Fällen (z. B. der bisherigen Rechtsprechung zur
Kirchensteuer) die Frage der Behandlung eines Erstattungsüberhangs
nicht gestellt.
Konsequenz Dem
FA bleibt somit nur die Änderung der früheren Veranlagungen wegen
eines rückwirkenden Ereignisses (im Streitfall jedoch ohne
steuerliche Auswirkung).
15. Verkauf und
Wieder-Ankauf von Aktien kein Gestaltungsmissbrauch
Kernproblem Bis
zum Jahr 2008 waren Gewinne und Verluste aus dem Verkauf von
Wertpapieren steuerlich nur zu berücksichtigen, wenn zwischen An-
und Verkauf nicht mehr als ein Jahr lag. Aus gestalterischer Sicht
war es daher sinnvoll, Gewinne möglichst außerhalb, Verluste
dagegen innerhalb dieser Spekulationsfrist zu realisieren.
Sachverhalt Die
Gesellschafter einer vermögensverwaltenden GbR hatten im Februar
bzw. März 2000 in der Hochphase der Spekulationsblase am Neuen Markt
Aktien von 2 Unternehmen gekauft. Im Laufe des Jahres 2000 verloren
die Papiere mehr als 90 % an Wert. Im Dezember 2000 wurden diese
Aktien vollständig verkauft und damit Veräußerungsverluste von
mehr als 120.000 DM realisiert. Jeweils am selben Tag wurde die
gleiche Anzahl an Aktien der gleichen Unternehmen wieder gekauft,
wobei Verkaufs- und Ankaufspreis voneinander abwichen, weil die
Transaktionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt waren. Das
Finanzamt erkannte die Spekulationsverluste nicht an, weil es in dem
zeitgleichen Ver- und Ankauf einen Gestaltungsmissbrauch sah.
Entscheidung Vor
dem Finanzgericht und schließlich auch dem Bundesfinanzhof bekamen
die Kläger Recht. Die Richter sehen es nicht als missbräuchlich an,
wenn Steuerpflichtige gleichartige Wertpapiere unmittelbar
anschließend oder zumindest kurzfristig nach deren Veräußerung zu
unterschiedlichen Preisen wieder erwerben. Allein das Motiv, durch
diese Transaktion Steuern zu sparen, mache eine Gestaltung noch nicht
unangemessen. Der BFH stellt in seiner Begründung auch darauf ab,
dass die Kläger ein Kursrisiko eingegangen sind, was sich in den
unterschiedlichen An- und Verkaufspreisen zeigt.
Konsequenz Für
ab dem Jahr 2009 gekaufte Aktien und andere Wertpapiere gilt die
Spekulationsfrist, die im Urteilsfall eine besondere Rolle spielte,
nicht mehr. Nunmehr unterliegen Veräußerungsgewinne und -verluste
unabhängig von der Haltedauer stets der Besteuerung. Allerdings
können Verluste aus dem Verkauf von Aktien - wie nach alter
Rechtslage - nur mit entsprechenden Veräußerungsgewinnen verrechnet
werden.
16. Unwahre,
ehrverletzende Kündigungsgründe: Auflösung und Abfindung
Kernfrage/Rechtslage Kommt
ein Arbeitsgericht zu dem Schluss, dass eine Kündigung unwirksam
ist, ist das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Das
Kündigungsschutzgesetz sieht aber vor, dass ein Auflösungsantrag
gestellt werden kann, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
unzumutbar ist. Das Arbeitsverhältnis wird dann durch Urteil
aufgelöst und das Gericht setzt eine Abfindung fest. In diesen
Fällen wird dem Arbeitgeber also die Entscheidung genommen, das
Arbeitsverhältnis fortsetzen zu können. Das Landesarbeitsgericht
Schleswig-Holstein hat zu den Voraussetzungen eines solche
Auflösungsantrages Stellung genommen.
Entscheidung Die
Klägerin war 10 Jahre als Altenpflegehelferin beschäftigt. Der
Arbeitgeber warf der Klägerin zunächst vor, eine an Parkinson
leidende Bewohnerin leichtfertig angerempelt und so zu Fall gebracht
und anschließend nicht versorgt zu haben. Er kündigte daraufhin das
Arbeitsverhältnis fristgerecht. Zusätzlich hatte er abschließend
festgestellt, dass die Klägerin aufgrund des gezeigten Verhaltens
auf einer Pflegestation zur Betreuung auch sehr kranker Bewohner
nicht tragbar sei. Im Kündigungsschutzprozess musste er seine
Aussagen "relativieren". Das Arbeitsgericht gab der
Kündigungsschutzklage statt und stellte außerdem die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung fest. Die
hiergegen vom Arbeitgeber eingelegte Berufung blieb erfolglos. Die
Schwere des nicht aufrecht zu erhaltenden Vorwurfes, die Klägerin
könne nicht verantwortungsvoll mit Patienten umgehen, erreiche eine
Intensität, die befürchten lasse, dass der Arbeitgeber in anderen
Fällen ähnliche Verhaltensweisen zeigen werde, so dass eine
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar sei.
Konsequenz Das
Verhalten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Kündigung ist
geeignet, einen Auflösungsantrag zu rechtfertigen. Will der
Arbeitgeber also, bspw. um die wirtschaftliche Belastung mit einer
gerichtlich festgesetzten Abfindung abzuwenden, verhindern, dass es
bei unwirksamer Kündigung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses
kommt, muss er sein Verhalten entsprechend anpassen.
Für
Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit
freundlichen Grüßen
Stephan
Gißewski
Steuerberater
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